Aufgabe (eventuell schriftlich)
- Was erfahren wir über die Greiferin Stella Kübler in dem Text “Stella Kübler (geborene Stella Goldschlag)”?
- Was war das Dilemma der jüdischen Greifer?
Stella Kübler (geborene Stella Goldschlag)
In den 30´er Jahren, als Stella noch ein Kind war und in eine deutsche Volksschule ging, musste sie wie alle jüdischen Kinder die deutsche Volksschule verlassen, weil sie Jüdin war.
Es gab jedoch auch jüdische Schulen in Berlin, und als Alternative zu der deutschen Schule besuchte Stella eine jüdische Schule namens “Goldschmidt”, und hier lernte sie viele jüdische Kinder kennen.
Leider benutzte sie später dieses Wissen, um ihre ehemaligen Schulkameraden zu denunzieren.
Michael Degen berichtet, dass seine Mutter einmal der Greiferin Stella Kübler in Berlin begegnete, aber Stella denunzierte Anna Degen nicht. Möglicherweise hatte Stella Mitleid mit Anna Degen. Auf jeden Fall sagte Stella Kübler nur zu Anna Degen: “ich hab´ dich nicht gesehen, verschwinde, ich hab´ dich nicht gesehen!”
Ohne Zweifel war Stella Kübler, die den Spitznamen “blondes Gespenst” erhielt, eine gefährliche Frau. Man kann nicht mit Sicherheit sagen, wie viele Juden Stella Kübler denunziert hat, aber es dreht sich auf jeden Fall um mehrere hundert Juden.
Stella Kübler war bildschön und hatte ein typisch “arisches” Aussehen – das heißt sie war blond und hatte blaue Augen.
Dieses “arische” Aussehen bewirkte, dass sie im Allgemeinen für eine Deutsche gehalten wurde, und wenn sie sich in der Öffentlichkeit zeigte, brauchte sie sich normalerweise nicht auszuweisen.
Aber im Frühjahr 1943 wurde sie trotzdem von der Gestapo verhaftet.
Man versprach ihr, dass sie und ihre Eltern nicht nach Auschwitz deportiert werden würden, wenn sie einwilligte, als Greiferin für die Gestapo zu arbeiten, und um ihre Eltern vor der Deportation ins KZ zu retten, willigte Stella Kübler ein, in die Dienste der Gestapo zu gehen. Sie konnte jedoch ihre Eltern nicht retten, die erst ins KZ Theresienstadt kamen, und danach nach Auschwitz deportiert wurden, wo sie 1944 ermordet wurden.
Ihre Methode, jüdische “U-Boote” ausfindig zu machen und zu denunzieren, war sehr ausgeklügelt. Sie gab sich selbst als “U-Boot” aus, und indem sie vorgab, Lebensmittel und andere wichtige Güter beschaffen zu können, gewann sie das Vertrauen der untergetauchten Juden.
Sie fand heraus, wo sie sich versteckten, und eines Tages suchte sie die untergetauchten Juden mit der Gestapo auf. Die Juden wurden dann verhaftet und nach Auschwitz deportiert.
Auch ihr erster Mann wurde deportiert, und sie heiratete wieder am 29. Oktober 1944.
Nach dem Krieg versteckte Stella Kübler sich, wurde aber von den Sowjets verhaftet und musste 10 Jahre in einem sowjetischen Lager verbringen. Als sie nach dieser Strafe in den Westen kam, wurde sie noch einmal angeklagt, aber man konnte sie ja nicht zweimal für dasselbe Verbrechen bestrafen, und sie wurde freigelassen.
Sie heiratete nach ihrer Entlassung noch drei Mal und beging im Jahre 1994 Selbstmord, indem sie aus dem Fenster ihrer Wohnung sprang – sie wurde 72 Jahre alt.
Ihr Schulfreund aus der jüdischen Goldschmidt Schule, schrieb 1992 ein Buch über Stella mit dem Titel “Stella” (Siehe Bibliographie) (Red.)
Das Dilemma der jüdischen Greifer
Es gab in Berlin etwa 30 jüdische Greifer, die zusammen mit der Gestapo versuchten, andere Juden ausfindig zu machen.
Die Greifer waren in einem furchtbaren Dilemma. Sie hatten die Wahl, entweder ihre jüdischen Mitmenschen zu denunzieren oder selbst nach Auschwitz deportiert zu werden, und deshalb kann man wohl ein gewisses Verständnis für sie aufbringen.
Aber Stella Kübler zeigte einen ungewöhnlichen Eifer. Sie wollte so viele wie möglich von ihren jüdischen Mitbürgern finden. Noch bis zum März 1945, wenige Monate vor der Kapitulation, spürte sie noch Juden auf und denunzierte sie.
Man stellt sich die Frage, was wohl in dieser Frau vorging? Wie kann man damit leben, über hundert Menschen in den Tod geschickt zu haben? War Stella Kübler sich irgendeiner Schuld bewußt?
In einem Interview nach dem 2. Weltkrieg sagt Stella Kübler “Ich hab mir natürlich nichts dabei gedacht” (Red.)